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Channel: Tobias Straumann – Never Mind the Markets
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Wenn die Unabhängigkeit der Zentralbank wackelt

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Never Mind The Markets

Setzt die Türkische Zentralbank unter Druck: Präsident Tayyip Erdogan. Foto: Vadim Ghirda (Keystone)

Die Debatte um die Unabhängigkeit der Schweizerischen Nationalbank (SNB) ist wieder aus den Schlagzeilen verschwunden. Das heisst aber nicht, dass sie schon vorbei wäre. Alles hängt vom Wechselkurs und der Arbeitslosigkeit ab. Falls bis Ende Jahr in grossem Stil Arbeitsplätze abgebaut werden, wird die Kritik an der Machtfülle der SNB schnell wieder lauter.

Zudem ist nicht abzustreiten, dass es für eine demokratische Kultur schwierig zu akzeptieren ist, dass ein Gremium von drei Personen ganz allein derart weitgehende Entscheidungen fällen darf wie diejenige vom 15. Januar 2015. Das Unbehagen ist längst nicht nur auf gewerkschaftliche und sozialdemokratische Kreise beschränkt. Auch bei den Bürgerlichen hört man immer wieder Zweifel am bestehenden Modell.

Gleichwohl, das bestehende System sollten wir beibehalten. Es hat sicherlich Nachteile, aber eine abhängige Nationalbank hat noch grössere Nachteile.

Was es bedeutet, wenn die Unabhängigkeit der Zentralbank infrage gestellt wird, können wir zurzeit in der Türkei beobachten. Im Juni sind Parlamentswahlen, die Präsident Tayyip Erdogan mit seiner Partei natürlich gewinnen möchte. Was ist in einer solchen Situation naheliegender, als der Zentralbank zu raten, die Zinsen schneller zu senken?

Die Zentralbank wehrt sich, wird aber öffentlich unter Druck gesetzt. Sie argumentiert, dass die Inflation wegen des Währungszerfalls zu hoch sei und deshalb eine zu lockere Geldpolitik nicht infrage käme. Die Zentralbank hat die Zinsen im Februar 2015 bereits deutlich gesenkt. Sie wollte nicht noch weiter gehen. Die Inflation beträgt trotz tiefem Ölpreis mehr als 7 Prozent und scheint im Moment eher wieder zu steigen als weiter zu fallen.

Vor allem die hohe Inflation der Lebensmittelpreise bereitet den Währungshütern Sorgen, wie die folgende Grafik zeigt (Quelle: Monatliche Preisstatistik der türkischen Zentralbank).

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Auch auf der Währungsseite ist der Spielraum eingeschränkt. Die Türkei hat eine hohe Auslandsverschuldung. Eine weitere Abwertung der türkischen Lira zur Ankurbelung der Wirtschaft hat deshalb nur einen limitierten Effekt. Sie verbessert zwar die preisliche Wettbewerbsfähigkeit des Aussenhandelssektors, aber erhöht die Schulden des Privatsektors. Das bremst die Investitionen.

Aus taktischen Gründen hat Erdogan seine Angriffe auf die Zentralbank gestoppt. Am 22. April trifft sich das Leitungsgremium der Zentralbank zu seinem nächsten Zinsentscheid. Die Wahlen sind am 7. Juni. Wir werden sehen, ob die Zentralbank bis dann ihre Unabhängigkeit verteidigen kann.

 

 


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