Unlängst hat das Seco die Schätzungen zum vierten Quartal 2015 publiziert (hier). Damit bekommt man ein präziseres Bild des Frankenschocks als bis anhin.
Die Daten zeigen vor allem eines: Die Fixierung auf das BIP führt in die Irre. Die einzelnen Sektoren und Branchen haben sich sehr unterschiedlich entwickelt. Nimmt man nur das Aggregat zur Kenntnis, hat man keine Vorstellung vom tatsächlichen Zustand der Schweizer Wirtschaft.
Gehen wir zunächst auf den Ursprung zurück: die Veränderung des realen Wechselkurses. Die Grafik zeigt klar, wie unterschiedlich sich der Dollar- und der Eurokurs seit Ausbruch der Finanzkrise (2008) entwickelt haben. Auf der einen Seite hat sich der Franken gegenüber dem Euro real um mehr als 30 Prozent aufgewertet, auf der anderen Seite ist der Dollar nach einer längeren Schwächephase real wieder etwa gleich stark wie vor acht Jahren. Der Frankenschock bezieht sich also “nur” auf den Euro.
Wie sieht es nun in den einzelnen Sektoren aus? Die folgende Tabelle zeigt klar, wie unregelmässig das Wachstum ausgefallen ist.
- Die grossen Verlierer im ersten Qurtal waren Landwirtschaft & Industrie und Handel, Kommunikation, Transport & Gastgewerbe. Es sind die Exportsektoren, die von der schnellen Aufwertung am schnellsten betroffen waren.
- Im zweiten Quartal zeichnete sich bereits eine Verbesserung in diesen beiden Gruppen ab, aber bis Ende Jahr konnten sich nur Landwirtschaft & Industrie wirklich erholen. Handel, Kommunikation, Transport & Gastgewerbe hingegen verharren in der Stagnation.
- Baugewerbe/Bau und Finanz & sonst. wirtschaftliche Dienstleistungen hatten ein durchzogenes Jahr. Doch dies hat wenig mit dem Frankenschock zu tun.
- Die einzigen Sektoren, die zuverlässig wuchsen, waren der Staat & Übrige. Vor allem im dritten Quartal 2015 war die Divergenz zwischen den Sektoren Staat & Übrige und dem Rest frappant.
Wenden wir uns den Nachfragekomponenten des BIP zu. Hier zeigt sich, dass das Wachstum vor allem vom privaten Konsum gestützt wurde. Deutlich sichtbar ist auch die Divergenz zwischen dem Handel von Gütern und von Dienstleistungen. Bei den Gütern ist der Export (ohne Wertsachen und Transithandel) über das ganze Jahr schneller gewachsen als der Import. Bei den Dienstleistungen ist es genau umgekehrt. Mit anderen Worten: Das grösste Opfer des Frankenschocks ist nicht die Exportindustrie, sondern der Tourismus.
Was folgt daraus? Die Schweizer Wirtschaft ist weit weniger gut aufgestellt, als es viele wahrhaben wollen. Das Wachstum ist fast nur noch durch den Privatkonsum und den Staat getrieben. Der Rest tritt an Ort, vor allem die Exportsektoren. Kein Wunder, hat sich der Produktivitätsfortschritt verlangsamt. Auf die Dauer kommt das nicht gut.
Der Beitrag Was das Bruttoinlandprodukt verschweigt erschien zuerst auf Never Mind the Markets.