Die Frage nach dem amerikanischen Abstieg ist alles andere als neu. Schon in den 60er-Jahren, als Präsident Johnson sein Land in das Abenteuer des Vietnamkriegs stürzte, sahen manche das Ende der Weltmacht kommen.
Anfang der 90er-Jahre verstummten diese pessimistischen Stimmen jedoch ganz schnell. Der Zusammenbruch der Sowjetunion gab der amerikanischen Hegemonie einen starken Schub. Rund zehn Jahre traute sich niemand mehr, über den baldigen Abstieg der USA zu debattieren.
Bereits in den 2000er Jahren meldeten sich die Untergangspropheten zurück. Diesmal fokussierten sie auf die starke Zunahme des Handels- und Leistungsbilanzdefizits. Tatsächlich nahm es ab den späten 1990er Jahren stark zu. Am Vorabend der Finanzkrise stieg es auf rekordhohe 6,5 Prozent an (siehe Grafik).
In der jüngsten Zeit fühlen sich die Pessimisten bestätigt durch die schwere Wirtschaftskrise, die Nullzinspolitik und das Chaos im Nahen Osten. Dass nun Donald Trump aussenpolitische Stärke markiert und damit grossen Erfolg hat, interpretieren sie als Zeichen der Schwäche, nicht als Beginn eines Wiedererwachens der eingeschlafenen Grossmacht. Seine Anhänger tun sie als Nostalgiker ab. Für sie ist die Sache gelaufen.
Nicht alle stimmen in diesem Chor ein. Ulrich Menzel (TU Braunschweig), einer der besten Kenner der Materie, glaubt etwa, dass die amerikanische Hegemonie noch rund 20 Jahre anhalten wird.
Menzel erläutert diese Prognose in seinem neuen Buch «Die Ordnung der Welt» (Suhrkamp 2015). Im Zentrum steht die Unterscheidung zwischen Hegemonie und Imperium. Hegemoniemächte sind in der Lage, öffentliche Güter wie politische Stabilität und freie Märkte global zur Verfügung zu stellen. Dies erreichen sie einerseits durch militärische Macht, anderseits durch «soft power», d.h. durch wirtschaftliche Beziehungen, diplomatischen Druck und kulturelle Ausstrahlungskraft.
Imperien dagegen vermögen keine öffentlichen Güter zu garantieren, sondern können nur Clubgüter offerieren. Nur die Bürgern im Innern des Imperiums profitieren, nicht die ganze Welt. Die “Barbaren” ausserhalb des Römischen Reichs wurden bekämpft.
Menzel zeigt anhand der Geschichte, wie sich verschiedene Hegemonien abgelöst haben. Er beginnt mit der Song-Dynastie (960–1204) und schliesst mit der Diskussion der amerikanischen Hegemonie, die er in zwei Zyklen unterteilt: 1898 bis 1990 und 1990 bis 2035.
Warum 2035? Erst dann, so Menzels Prognose, dürfte China die USA wirtschaftlich eingeholt haben. Das werde nicht nur ökonomische Parität bedeuten, sondern auch das Ende der extremen militärischen Überlegenheit der USA. Die folgende Grafik zeigt, wie überlegen die USA heute immer noch sind, wenn es um die Militärausgaben geht.
Was folgt nach 2035? Gemäss Menzel gibt es wahrscheinlich eine Übergangsphase, in der eine Art G-2 (USA und China) die Weltordnung bestimmen wird.
Ein multipolares Arrangement wäre keineswegs einzigartig, das gab es in der Geschichte immer wieder. Die Frage ist nur, wie friedlich diese Koexistenz sein wird. Eine Prognose ist aus den historischen Zyklen nicht ableitbar. Menzel: “Wie die USA mit dem erkennbaren relativen Abstieg gegenüber China umgehen, wird sich zeigen.” Immerhin: Es muss nicht zwangsläufig zum Konflikt kommen.
Der Beitrag Wie lange bleiben die USA noch Weltmacht? erschien zuerst auf Never Mind the Markets.