In allen ökonomischen Lehrbüchern steht, dass der Welthandel grundsätzlich etwas Gutes ist. Er ermöglicht eine Arbeitsteilung zwischen den Nationen, die den allgemeinen Wohlstand hebt. Die Schweiz ist ein typischer Fall. Müssten wir zum Beispiel alle Lebensmittel selber herstellen, wären wir bedeutend ärmer.
In den Lehrbüchern steht ferner, dass es innerhalb der Nationen immer Gewinner und Verlierer des Welthandels gibt. Es braucht deshalb Kompensationen für die Verlierer, wenn man die politische Unterstützung nicht verlieren möchte. Auch hier ist der schweizerische Fall typisch. Staatlich regulierte Sozialversicherungen, Bildung und Umverteilung dienen dazu, den harten internationalen Wettbewerb abzudämpfen.
In jüngerer Zeit bedienen sich die Staaten auch eines Mittels, das auf den ersten Blick weniger sichtbar ist, aber immer wichtiger zu werden scheint: Sie führen nichttarifäre Handelshemmnisse ein. Darunter fallen alle Massnahmen, die nicht mit Zöllen oder Quoten, sondern mit rechtlichen und technischen Vorschriften die ausländische Konkurrenz benachteiligen.
Ein Beispiel ist der schweizerische Türschlüsselmarkt. Theoretisch steht die Schweiz allen offen, aber die Sicherheitsauflagen für Schweizer Schlüssel sind so anspruchsvoll und spezifisch, dass es sich für ausländische Konkurrenten kaum lohnt, im kleinen Schweizer Markt tätig zu werden.
Die Daten zeigen, dass die Popularität von nichttarifären Handelshemmnissen umso grösser geworden ist, je stärker die Zölle gesenkt wurden. Die folgende Grafik beruht auf Daten der Welthandelsorganisation (WTO) und der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UCTAD).
Beim internationalen Personenverkehr ist es genau gleich wie beim Welthandel. Die totale Freiheit ist nicht machbar. Jeder Öffnungsschritt erfordert Kompensationen.
So hat die Schweiz bei der Einführung der Personenfreizügigkeit darauf gedrängt, flankierende Massnahmen einzuführen. Sie widersprechen zwar EU-Recht, aber als integraler Bestandteil der Bilateralen I wurden sie von der EU akzeptiert.
Im Februar 2014 hat sich herausgestellt, dass diese Kompensationen nicht ausreichen. Wenn die Hälfte der Stimmenden Vorbehalte äussert, dann besteht Handlungsbedarf.
Im Zentrum steht vor allem die Wiedereinführung des Inländervorrangs. Offenbar haben viele Einheimische das Gefühl, sie würden auf dem Arbeitsmarkt gegenüber ausländischen Arbeitskräften benachteiligt. Das ist politischer Sprengstoff. In Bern ist diese Botschaft mittlerweile angekommen.
Die Frage ist nun, wie man am besten vorgeht. Ein Blick auf den Welthandel bringt uns vielleicht weiter. Die Initiative verlangt Kontingente – das entspricht Importquoten. Eine andere Möglichkeit sind Gebühren für Arbeitgeber, die ausländische Arbeitskräfte anstellen – das entspricht Importzöllen.
Beide Vorschläge sind politisch schwierig umzusetzen. Besser wäre es, man könnte die Einwanderungsfrage mit Massnahmen entkrampfen, die nichttarifären Handelshemmnissen entsprechen.
Ein Beispiel für ein nichttarifäres Handelshemmnis wäre, dass der Staat nur Personen einstellen darf, die mit den regionalen und lokalen Verhältnissen vertraut sind. Mit anderen Worten: Inländer hätten Vorrang. Wenn kein Inländer gefunden werden kann, darf der Staat diese Bedingungen lockern. Auch ist wichtig, dass es Ausnahmen gibt, zum Beispiel der ganze Hochschulbereich. Aber entscheidend ist, dass er bei der ersten Suche den Einheimischen Vortritt verschafft.
Die Bedingungen sind mit Sicherheit vereinbar mit dem Personenfreizügigkeitsabkommen. Es ist ja kaum zu bestreiten, dass es zum Jobprofil eines Staatsangestellten gehört, dass er oder sie die lokalen und regionalen Verhältnisse gut kennt. Zudem hätte die Massnahme grosse Wirkung. Die meisten Stellen seit Einführung der Personenfreizügigkeit wurden nämlich nicht von der Privatwirtschaft geschaffen, sondern vom Staat und staatsnahen Branchen sowie der Bauwirtschaft als Folge der Einwanderung.*
Es gibt mit Sicherheit ein paar andere nichttarifäre Einwanderungshemmnisse, die Bern aktivieren könnte, ohne den Streit mit der EU zu provozieren. Es wimmelt in der Bundesverwaltung von Juristinnen und Juristen. Sie sollen ihrer Fantasie freien Lauf lassen und die Personenfreizügigkeit auf elegante Weise zurechtstutzen.
Der Beitrag Inländervorrang durch die Hintertür erschien zuerst auf Never Mind the Markets.