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Hier prallen die Gegensätze aufeinander: Sozialwohnungen und der Finanzdistrikt Canary Wharf in London. Foto: Jas Lehal (Reuters)
Politische Entscheidungen nur mit ökonomischen Faktoren erklären zu wollen, ist problematisch. Beim Brexit, der Trump-Wahl oder der Masseneinwanderungsinitiative ging es immer auch um Fragen der Souveränität, der Demokratie und der Identität.
Gleichwohl ist es frappant, wie stark die ökonomischen Faktoren mit dem Stimmverhalten korrelieren. Nehmen wir das Beispiel Grossbritannien. Die regionalen Daten der europäischen Wirtschaft sprechen eine so eindeutige Sprache, dass man sich nicht mehr darüber wundern muss, warum die meisten Regionen ausserhalb Londons für den Brexit stimmten.
Die erste Grafik von Eurostat zeigt das kaufkraftbereinigte BIP pro Kopf. Man sieht sofort, dass in Grossbritannien der Unterschied zwischen reichen und armen Regionen besonders ausgeprägt ist. Es hat dunkelviolette Gebiete (am ärmsten) und dunkelblaue Gebiete (am reichsten). (Die leicht missverständliche Abkürzung NUTS steht für Nomenclature des unités territoriales statistiques.)
Grossbritannien ist aber nicht das einzige Land, das dieses grosse Gefälle kennt. Auch in Italien und Spanien hat es dunkelblaue und dunkelviolette Gebiete. Auch in Deutschland und Frankreich gibt es ein grosses Gefälle, wenn auch weniger ausgeprägt als in Grossbritannien.
Was in Grossbritannien dazu kommt, ist, dass die reichste Region (London) enorm viel reicher ist als der Rest des Landes, wie die zweite Grafik zeigt. Selbst die Region Paris kann nicht im Entferntesten mit London mithalten. Im europäischen Vergleich geht es also den britischen Haushalten gar nicht so schlecht, aber der Abstand zur reichen Elite ist enorm gross.
Figure 2: Disposable income of private households relative to population size, by NUTS 2 regions, 2013
(purchasing power consumption standard (PPCS) per inhabitant), Source: Eurostat (nama_10r_2hhinc)
Am aussagekräftigsten ist aber wohl die dritte Grafik. Sie zeigt, wie sich das verfügbare Einkommen der Haushalte von 2008 bis 2013 entwickelte. Es ist ein ausgezeichneter Indikator, um die Wirkungen der diversen Finanzkrisen sichtbar zu machen.
Grossbritanniens Rückgang ist besonders frappant, vor allem wegen der einheimischen Immobilienkrise. Ebenfalls stark betroffen wurden Irland und Spanien, ebenfalls hauptsächlich wegen der einheimischen Immobilienkrise, aber auch wegen der Eurokrise. Am stärksten betroffen sind Griechenland und Italien. Die Gründe der griechischen Tragödie sind bekannt, in Italien sind die Ursachen komplexer. Interessant ist, dass auch einige Regionen in den Niederlanden Federn lassen mussten. Auch hier ist eine einheimische Immobilienkrise die Hauptursache.
Die Ironie an der ganzen Sache ist, dass die schwächeren Regionen eigentlich jetzt nur noch auf den verachteten Donald Trump hoffen können. Wenn der neue Präsident ein grosses Infrastrukturprogramm lanciert und die Unternehmenssteuern senkt, wird die US-Wirtschaft einen Boom erleben, von dem auch Europa für eine gewisse Zeit profitieren wird. Wenn er nichts dergleichen tut, wird es für Europa politisch immer schwieriger.
Der Beitrag Ungleiches Europa erschien zuerst auf Never Mind the Markets.