Quantcast
Channel: Tobias Straumann – Never Mind the Markets
Viewing all articles
Browse latest Browse all 185

Soll die SNB die Untergrenze bald aufheben?

$
0
0
Hat den Negativzins eingeführt: Die Schweizerische Nationalbank in Bern. (Keystone/Peter Klaunzer)

Die Diskussion um die Politik der SNB ist wieder neu lanciert: Wasserspiegelung der SNB in Bern. (Keystone/Peter Klaunzer)

Die Schweizerische Nationalbank führt Negativzinsen ein, um den Zufluss von ausländischen Geldern zu bremsen. Kritiker bemängeln, dass diese Massnahme einmal mehr zeige, wie verfehlt die Euro-Untergrenze sei. Man habe sich nun vollends in die Arme der Europäischen Zentralbank (EZB) begeben.

Ist also der Zeitpunkt bereits gekommen, die Untergrenze aufzuheben? Dafür sprechen mindestens zwei Argumente. Erstens steigen mit der Ausweitung der SNB-Bilanz die Verlustrisiken. Zweitens ist es wichtig, den Eindruck zu vermeiden, dass die SNB auf Dauer Industriepolitik betreibt. Es besteht die Gefahr, dass die Untergrenze mit der Zeit den Strukturwandel bremst. Das ist nicht wünschenswert.

Auf der anderen Seite sollte man sich aber keine Illusionen machen. Die Aufhebung der Untergrenze wäre kein Befreiungsschlag. Die SNB könnte unmöglich zu einer normalen Geldpolitik zurückkehren. Der Franken würde zu attraktiv, wenn wir höhere Zinsen hätten als die Euro-Länder. Wir sind leider stark abhängig von der Geldpolitik des Fed und der EZB. Die Untergrenze ist nicht die Ursache der Abhängigkeit, sondern die Folge. Wer das bestreitet, verharmlost die Lage, in der sich die SNB befindet.

Zweitens muss man sich ernsthaft mit der Frage der Preisstabilität auseinandersetzen. Die SNB definiert sie folgendermassen:

Preisstabilität ist eine wesentliche Voraussetzung für Wachstum und Wohlstand. Inflation und Deflation beeinträchtigen dagegen die Entwicklung der Wirtschaft. Sie erschweren die Entscheide von Konsumenten und Produzenten, rufen Fehler beim Einsatz von Arbeit und Kapital hervor, führen zu Umverteilungen von Einkommen und Vermögen und benachteiligen die wirtschaftlich Schwächeren. Die Nationalbank setzt Preisstabilität mit einem Anstieg der Konsumentenpreise von weniger als 2% pro Jahr gleich. Auch Deflation, d.h. ein anhaltender Rückgang des Preisniveaus, verletzt das Ziel der Preisstabilität. Als Hauptindikator für die geldpolitischen Entscheide dient eine mittelfristige Inflationsprognose. (Quelle: SNB-Webseite)

Was würde mit den Preisen passieren, wenn die SNB die Untergrenze aufheben würde? Wahrscheinlich würde sich der Franken aufwerten und die Preise würden sinken. Das wäre an sich keine Katastrophe. Temporär dürfen die Preise durchaus einmal eine gewisse Zeit sinken.

Aber die Gefahr, dass sich die Inflationserwartungen permanent nach unten verschieben würden, wäre durchaus vorhanden. Denn seit 2009 ist die Inflationsrate fast immer unter 1 Prozent geblieben, mehrere Quartale lang war sie sogar unter Null. Und in der neusten Prognose geht die SNB davon aus, dass die Preise im nächsten Jahr wieder sinken werden, nachdem sie im laufenden Jahr vorübergehend geringfügig angestiegen sind.

Präsentation2

Das heisst: Nicht einmal die Untergrenze sorgt für Preisstabilität, obwohl die Schweizer Wirtschaft brummt. Eigentlich müssten wir in einem solch günstigen wirtschaftlichen Umfeld steigende Konsumentenpreise haben. Aber das Gegenteil ist wahr: Die Preise sind wieder am Sinken. Das ist abnormal und besorgniserregend.

Im schlimmsten Fall könnte nun folgendes Szenario wahr werden: Die Schweiz rutscht in eine Rezession, möglicherweise in Verbindung mit einer Immobilienkrise, und die Preise beginnen stark zu sinken, doch die SNB hat überhaupt keine Möglichkeit mehr, mit Zinssenkungen zu reagieren. Was dann?

Wer also jetzt schon für eine Aufhebung der Untergrenze plädiert, geht hohe Risiken ein, was die Preisstabilität und die künftige Geldpolitik anbelangt. Vielleicht kommt man zum Schluss, dass diese Risiken kleiner sind als die Verlustrisiken, die durch die aufgeblähte SNB-Bilanz entstanden sind. Aber diese Diskussion müsste zuerst geführt werden, bevor die Aufhebung der Untergrenze empfohlen wird. Soweit sind wir noch nicht.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 185