![WAEHRUNG, WECHSELKURS, MINDESTKURS, EURO, SCHWEIZER FRANKEN, AUFHEBUNG, MINDESTKURSAUFHEBUNG, SNB, SCHWEIZERISCHE NATIONALBANK, UNTERGRENZE, KURSUNTERGRENZE, FINANZPOLITIK,](http://blog.tagesanzeiger.ch/nevermindthemarkets/wp-content/uploads/sites/11/2015/01/Jordan640.jpg)
Da war der Euro-Mindestkurs von 1.20 Franken Geschichte: Nationalbank-Präsident Thomas Jordan gibt in Zürich den Beschluss bekannt (15. Januar 2015). Foto: Walter Bieri (Keystone)
Selten war die Zukunft so offen wie heute, einige Tage nach dem Entscheid der Schweizerischen Nationalbank (SNB), den Mindestkurs aufzugeben. Die Ökonomen sind zurückhaltend und vorsichtig. Niemand will der SNB das Leben unnötig schwer machen, aber es ist auffällig, wie zurückhaltend die Unterstützung ist. Die Risiken sind enorm.
Hier eine kleine Zusammenstellung von schweizerischen und internationalen Stimmen:
Mathias Hoffmann, Yvan Lengwiler, Ernst Baltensperger, Tobias Rötheli, Barry Eichengreen, Markus Brunnermeier/Harold James.
Wenn die Ökonomen sich einig sind, muss das natürlich nichts heissen. Alle erinnern sich an die Queen, die fragte: «It’s awful – Why did nobody see it coming?»
Trotzdem: Es gibt gute Argumente, zurückhaltend zu sein.
1. Die SNB hat immer betont, dass die Untergrenze wichtig sei, um Deflation zu verhindern. Mit der Freigabe des Wechselkurses riskiert man Deflation.
2. Die Europäische Zentralbank (EZB) startet am Donnerstag ihr Aufkaufprogramm. Es ist sehr schwierig vorauszusehen, wie sich das auf die Devisenmärkte auswirken wird. Wahrscheinlich ist eine weitere Abwertung des Euro, aber es muss nicht sein. Warum hat die SNB die Wirkung der EZB-Aktion nicht abgewartet, bevor sie den Ausstieg bekannt gab?
3. Wenn der Franken zu stark bleibt, muss die SNB wieder intervenieren. Das kann sehr kostspielig werden. Eventuell schwächt sich der Dollar ab, was zusätzlichen Druck ausüben würde. Die Bilanz der SNB würde sich dadurch noch schneller ausweiten, als wenn man die Untergrenze behalten hätte.
Es gibt Stimmen, die auf die Parallele zu 1973 verweisen. Damals trat die SNB aus dem Bretton-Woods-System der festen Wechselkurse aus. Es war ein ähnlicher Schock wie letzte Woche. Der Franken schoss in die Höhe, und die exportorientierten Branchen waren von einem Tag auf den andern gezwungen, völlig anders zu kalkulieren. Das habe man ja auch überlebt, lautet das Argument.
Die Grafik zeigt, wie sich der Franken gegenüber der DM und dem Dollar aufgewertet hat.
Die Schweizer Wirtschaft überlebte in der Tat den Schock, aber der Vergleich mit der heutigen Situation ist nicht ganz tauglich. 1973 war der Schweizer Franken deutlich unterbewertet, das ist er heute nicht. Zweitens hatte man damals die Möglichkeit, die Arbeitslosigkeit zu einem grossen Teil zu exportieren bzw. in die privaten Haushalte zurückzuverlagern. Etwa 200'000 ausländische Arbeitskräfte und Zehntausende von Frauen verloren temporär ihre Stelle. Die Textil- und die Uhrenindustrie gerieten in existenzielle Probleme. Das geht heute in der Zeit der Personenfreizügigkeit nicht mehr.
So bleibt nur die Hoffnung, dass sich die Devisenmärkte bald beruhigen werden und den Franken wieder abschwächen werden. Darauf wetten kann man aber nicht. Der Safe-Haven-Effekt, der den Franken immer wieder nach oben treibt, könnte noch lange anhalten.